Gleichberechtigte Partnerschaft
Eltern als Team!
Hier erzähle ich gemeinsam mit meinem Partner, wie wir unser Leben mit Kindern und Job meistern
Johanna und Henning
Gleichberechtigte Partnerschaft mit Kind – Fehlanzeige. In Deutschland ist das klassische Zuverdiener-Modell am verbreitetsten. Meistens ist der Mann der Hauptverdiener und die Frau kümmerst sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder und geht zusätzlich in Teilzeit arbeiten. Mit Gleichberechtigung hat das wenig zu tun.
Mit dieser Serie möchte ich vorstellen, dass es anders geht. Es gibt sie, die gleichberechtigten Paare, die das Familienleben gemeinsam wuppen. Ich lebe auch in einer gleichberechtigten Beziehung, in der wir uns Erwerbs- und Sorgearbeit teilen. Zur Info: Wir haben die Fragen getrennt voneinander schriftlich beantwortet und ich habe nichts vorgegeben :)
In welcher Lebensphase befindet ihr euch gerade?
Johanna: Wir sind gerade in der Teilzeit-Elternzeit unseres letzten Kindes. Wir arbeiten beide in Teilzeit. Henning hat feste Arbeitszeiten. Ich kann mir die Arbeitszeit flexibel legen. Unser jüngstes Kind betreuen wir zuhause. Die anderen beiden gehen in den Kindergarten, bzw. der Große kommt nach den Sommerferien in die Schule.
Henning: Elternzeit / Wiedereinstieg, 3 (4) Kind
Wie teilt ihr euch auf und wie kam es dazu?
Johanna: Momentan betreue ich vormittags unter der Woche hauptsächlich das Baby und arbeite, wenn er schläft. Oft auch abends und am Wochenende. Wir liegen vielleicht bei einer 70:30 Verteilung. Das finde ich nicht optimal auch was meine Arbeitszeiten angeht, ist aber eine bewusste Entscheidung für den Moment. Der Kleine kommt in den Kindergarten, wenn er zwei wird. Bis dahin wird sich die Situation kaum ändern. Sobald die Fremdbetreuung dazu kommt wird es eine 50:50 Aufteilung. Wobei uns total wichtig ist, dass wir das nicht auf Cent und Minute genau aufrechnen, sondern, dass wir beide mit der Situation zufrieden sind. Wir tauschen uns regelmäßig darüber in unseren Halbjahresgesprächen aus.
Henning: Im Moment ist es so, dass ich durch meine Elternteilzeit eine 70% Stelle habe und Johanna versucht auch nur irgendwie in die Nähe dieser 70% zu kommen. Im Moment ist es wohl eher eine 30-40% Stelle. Je nach Tagesform des jüngsten Kindes und ohne weitere Beeinträchtigungen wie Kinder/Eltern krank, spontane KiTa-Schließungen (Corona) etc. Die fängt im Moment größtenteils Johanna auf. Ansonsten versuche ich an meinen freien Nachmittagen viel mit den Kindern zu machen, wenn Johanna arbeitet.
Wie kam es dazu?
Johanna: Mir war es schon vor der ersten Schwangerschaft wichtig, dass wir ein gleichberechtigtes Modell leben. Das habe ich zur Bedingung gemacht, bin aber offene Türen eingerannt. Dennoch hatten wir Anlaufschwierigkeiten. Wir haben uns bei der Planung damit auseinandergesetzt und setzen uns auch jetzt immer wieder mit der Situation auseinander, wobei es für uns auch ein Prozess ist und wir uns immer wieder neu finden.
Henning: Es ist ein Prozess. Beginnend mit Kind 1, bei dem ich die „klassischen“ zwei Monate Elternzeit genommen habe. Zusätzlich habe ich auch noch gependelt. Im Rückblick kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Lag aber auch daran, dass mein damaliger Chef sinngemäß sagte: Die Mütter sind für die Kinder zuständig und ich brauche meine Mitarbeiter hier und nicht zu hause. Als Vater machen sie da doch eh nichts, außer ein bisschen wickeln. Und ich war einfach noch nicht soweit zu erkenn, dass das Bullshit ist. Zumindest hat die Einstellung meines Chefs mit dafür gesorgt, dass ich mir eine Stelle in Köln gesucht habe und somit ca. drei Stunden pro Tag pendeln gespart habe. Was aber wirklich für ein Umdenken sorgte war, dass dann unser Sternenkind kam und mein/unser gesamtes Denken und die Wertepyramide komplett auf den Kopf gestellt hat.
Bei Kind 3 (also zweites lebendiges) habe ich dann ein ganzes Jahr Elternzeit genommen und nach dem Ende der Elternzeit auch schon die Stunden (leicht) reduziert. Es war mir klar, dass ich keine Vollzeitstelle mehr anstrebe. Beim letzten Kind habe ich zu Geburt einen Monat voll Elternzeit genommen, und dann meine Stunden für 10 Monate auf 70% reduziert. Zum Ende nehme ich nochmal zwei Monate volle Elternzeit. Es ist allerdings mit meinem Arbeitgeber schon abgesprochen, dass ich nach dem Ende der Elternzeit bei meinen 70% bleibe und nicht mehr in Vollzeit zurück gehe.
Welche Widerstände gibt es? Was ist euer größter Upfuck?
Johanna: Von außen gibt es immer wieder viele Kommentare. Mein „Lieblingskommentar“ – Toll, dass dein Mann so viel macht, das ginge bei uns gar nicht. Das ist auch mein größter Upfuck, weil es vorgeschobene Gründe sind. Natürlich geht es! Die Frage ist eben, wie stellt man es an.
Die größten Widerstände waren bei mir tatsächlich in meinem Kopf. Denn auch bei mir hat die Prägung voll reingehauen und mir das Leben schwer gemacht. Glaubenssätze wie „Ein Kind braucht seine Mutter.“ – „Mamas schaffen alles.“ Und so weiter haben voll zugeschlagen, als unser erster Sohn auf der Welt war. Eigentlich auch schon, als ich schwanger war. Ich habe also viel mit meiner inneren Haltung gearbeitet, um mir das Leben zu erschaffen, das ich leben möchte und nicht irgendwelche unbewussten Prägungen das Ruder in die Hand nehmen.
Henning: Bei Kind 1 war der größte Widerstand im Betrieb und das völlige Unverständnis, dass man als Vater auch beim Kind bleiben will. Das hat sich beim neuen Arbeitgeber leicht gebessert, aber ohne Jule, unser Sternenkind, hätte ich mich nie getraut für mein Recht und mein Bedürfnis bei meinen Kindern zu sein, einzustehen. Mittlerweile geht es und es wird so langsam verstanden, dass ich nicht jeden Tag, immer da sein muss um einen guten Job zu machen. Ehrlicherweise muss man aber auch dazu sagen, dass ich dieses Bewusstsein nur entwickeln konnte, weil ich eine Partnerin zu Hause habe, die mich ständig hinterfragen lässt, ob das wirklich alles so sein muss, wie es alle machen…
Welche Gedanken habt ihr euch vor der Elternzeit gemacht?
Johanna: Wir haben im Groben geplant, wie wir uns aufteilen werden, wobei wir bei der ersten Elternzeit die Verteilung noch recht klassisch gewählt haben aus den oben genannten Gründen (ich 12, er 2 Monate). Ich hatte immer das Ziel vor Augen, dass wir mittelfristig eine gleichberechtigtes Modell anstreben. Ich habe aber auch gemerkt, dass sehr viele Gespräche notwendig waren (und auch immer noch sind), damit wir weiterhin unseren Kurs finden und halten.
Henning: Beim ersten Kind: Wie sieht das für den Arbeitgeber aus? Kann ich das machen? Wie lange und wann ist ok? Bei den anderen Kinder eher, wie können wir möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen, bleibt jemand auf der Strecke, wie viel geht finanziell bzw. was bedeutet der finanzielle Einschnitt für uns und wie bekommen wir das hin.
Womit habt ihr zu kämpfen, wenn es um den Wiedereinstieg in den Beruf geht?
Johanna: Ich wusste, dass ich mich kurz- oder langfristig wieder selbständig machen werde, wollte aber für den Übergang eine sichere Anstellung in Teilzeit. Da habe ich erfahren, wie schwierig es ist, eine passende Anstellung in Teilzeit zu finden, die spannend und angemessen bezahlt ist. Die Suche war beschwerlich und letztendlich habe ich mich darauf eingelassen einen sehr familienfreundlichen Job anzunehmen, der nicht gut bezahlt war. In dieser Zeit habe ich gemerkt, wie frustrierend es sein kann, wenn mich die Arbeit nicht erfüllt und finanziell honoriert wird, wo ich es vor der Schwangerschaft doch anders kannte. Da ist dann langsam meine Vision von der New Workerin geboren – Als Mama einen guten Job finden, der Spaß macht und gleichzeitig das Leben mit der Familie rocken!
Henning: Tatsächlich ist es für mich als Mann relativ einfach gewesen wieder einzusteigen, lag aber auch daran, dass ich bei Kind 1 wenig Elternzeit hatte und mit kompletter Stundenzahl wieder eingestiegen bin. Bei den anderen Kindern hat mich Johanna durch meinen Wiedereinstieg gecoacht, so dass er so gut vorbereitet war, dass ich zu meinen Bedingungen zurück gehen kann und mich schon auf das neue Projekt freue, das dann ansteht.
Was beschäftigt euch am meisten beim Thema „Arbeiten mit Kind(ern)?
Johanna: Mich beschäftig aktuell am meisten, dass ich kaum Deep Work Phasen habe. Ich würde gerne regelmäßig ein paar Stunden am Stück an meinen Projekten arbeiten, damit ich schneller voran komme.
Was natürlich immer mal wieder Thema ist, sind kranke Kinder. Die passen nie ins System. Da merke ich auch, wie ich im Kopf unentspannt bin, wenn eins der Kinder krank wird. Gleichzeitig macht mich das traurig, dass ich so durch unser Leistungssystem geprägt bin, dass bei einem kranken Kind der erste Gedanke ist „Wie bekommen wir das hin.“ Und nicht: „Ich bin für dich da und kümmere mich um dich, bis du wieder fit bist.“ Da arbeite ich aktuell dran, denn dieser Umstand macht mich traurig.
Wenn du dir was wünschen könntest, was würdest du dir zum Thema Elternzeit und Wiedereinstieg wünschen?
Johanna: Ich würde mir wünschen, dass es aus den Köpfen verschwindet, dass Frauen, sobald sie Mütter werden, ihr Lebensziel erreicht haben. Ich würde mir wünschen, dass es für die Arbeit egal ist, ob man Kinder hat oder nicht. Ich würde mir wünschen, dass das Wörtchen “nur” in Zusammenhang mit Teilzeitarbeit verschwindet (Ich arbeite nur 25 Stunden…). Ich würde mir wünschen, dass wir toleranter werden, was Lebensentwürfe angeht (Waaas, die gibt ihr Kind mit 8 Monaten schon in die Krippe und geht Vollzeit arbeiten?! Was für eine Rabenmutter! vs. Waaas, der hat seine Arbeitszeit reduziert und ist Hausmann?! Was für eine Lusche!) Wir können das besser und es wird uns als Gesellschaft weiterbringen.
Henning: Aus meiner männlichen Sicht, mehr Mut bei den meisten Vätern. 2 Monate Elternzeit sind zu wenig. Vielleicht mehr Anreize, dass die Elternzeit gerechter Aufgeteilt wird. Wenn es mehr Männer machen (weil finanziell attraktiver) dann wird auch die Akzeptanz und die Selbstverständlichkeit bei mehr Arbeitgebern ankommen.
Wie hat sich deine Einstellung zu deiner Arbeit mit der Geburt deines Kindes verändert?
Johanna: Ich habe noch weniger Verständnis für Zeitverschwendung auf der Arbeit. Und damit meine ich monatelang oder jahrelang in einem Job festhängen, der der falsche ist und eigentlich keinen Spaß macht! Diese latente Unzufriedenheit darf man nicht ignorieren. Das Leben ist zu kurz für andauernde Unzufriedenheit!
Henning: Im Endeffekt mache ich meinen Job jetzt lieber bzw. konnte mich verbessern, da ich mich durch meine Kinder entschieden mich mehr in Richtung Pädiatrie zu spezialisieren.
Wo hat euch das Leben mit Kind überrascht?
Johanna: Das Leben mit Kindern überrascht uns ständig. Ich bin überrascht, wie gut meine Kinder mir einen Spiegel vorhalten und wie viel ich durch sie über mich lernen kann. Wie sehr ich wachsen kann und was mir alles bewusst geworden ist. Es gibt so viele unbewussten Programme, die bei mir ablaufen, die ich gar nicht mag.
Henning: Überrascht? Überall!!!!
Was habt ihr euch ihre anders vorgestellt?
Johanna: Was habe ich mir anders vorgestellt: Ganz ehrlich: ich habe es mir leichter vorgestellt. Ich bräuchte einfach mal eine Auszeit von meinem Leben, um zu verarbeiten, was hier gerade abgeht. Das geht aber nicht. Klar kann ich mal ein Wochenende weg fahren. Nur, meine Kinder und die emotionale Bindung nehme ich im Kopf ja mit. Dann bin ich weg und guck mir Bilder von ihnen auf meinem Handy an, weil ich sie vermisse…
Henning:
Ehrlicherweise weiß ich gar nicht mehr so genau was ich mir vorgestellt habe.
Wo kommt ihr an eure Grenzen?
Johanna: An meine Grenze komme ich durch diesen Schlafentzug. Ich merke mittlerweile super schnell, wenn meine Akkus leer sind und ich nicht die Energie habe, meine Kinder angemessen zu begleiten. Das ist vollkommen ok. Und ich lerne immer besser damit umzugehen. Dennoch würde ich einfach gerne wieder durchschlafen!
Henning: Bei wenig Schlaf (also eigentlich immer). Ich arbeite hart an mir , aber ich komme an meine Grenzen, wenn ich merke, dass ich nur noch funktionieren muss und ich mich selber aus den Augen verliere.
Welchen Tipp würdest du gerne allen Müttern mitgeben?
Johanna: Versuche nicht den Erwartungen gerecht zu werden, die andere Menschen an dich stellen. Finde heraus, was du willst und lebe danach!
Henning: Verpflichte den Partner. Und dann lass ihn machen. Vertraue ihm. Er zieht das Kind „falsch“ an? Guck weg. Trösten geht anders schneller und besser? Bei ihm halt nicht. Etc. Der der/die sich kümmert, hat Recht.
Welchen Tipp würdest du gerne allen Vätern mitgeben?
Johanna: Wenn du ein aktiver und präsenter Vater sein willst, dann sei es! Dazu gehört eine große Portion MUT! Du bist vielleicht der erste, der in deiner Firma Elternzeit beantragt. Vielleicht hast du auch angst um deinen Job. Die Zeit, die du mit deinem Kind verbringst, kann dir keiner nehmen und sie trägt dich ein Leben lang. Was ist dir lieber: eine (im schlimmsten Fall) Kündigung von einem Arbeitgeber, der dich offensichtlich nicht zu schätzen weiß oder ein Kind, dass sich im Erwachsenenalter von dir distanziert und sich mit seinen Problemen und Fragen nicht an dich wendet, weil es nicht gelernt hat, dass du für Probleme und Fragen bereitstehst?
Henning: Seid mutig!! Niemand muss irgendwas machen nur weil „Mann“ das halt so macht. Sei es Elternzeit, Teilzeit, tragen, wickeln, Kurse besuchen etc. Stichwort Kurse: Aus eigener Erfahrung ist es sehr interessant der einzige Vater in einem Vormittags-Sing-und-Spiel Kurs für Babys zu sein… Das ist übrigens etwas was nicht von heute auf morgen geht. Ich selber wäre darin gerne viel besser. Ich arbeite dran…
Was wünscht ihr euch?
Johanna: Aktuell wünsche ich mir sehnlichst, dass auf unsere Kinder mehr acht gegeben wird. Die Coronakrise lässt mich erschüttert zurück, wie mit den kleinsten unserer Gesellschaft umgegangen wird. Kinder sind unsere Zukunft! Wenn wir eine rücksichtsvolle und soziale Gesellschaft wollen, dann sollten wir das vorleben, in alle Richtungen.
Wir kennen unser Familienziel und arbeiten darauf hin. Natürlich läuft es nicht immer so, wie wir es optimal fänden. Aber genau diese Momente zeigen uns, was wir nicht wollen. Also machen wir uns auf, Wege zu finden, um unseren Weg gehen zu können.
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