Gleichberechtigte Partnerschaft

Eltern als Team!

Hier erzählen Paare, wie sie ihr Leben mit Kindern und Job meistern

Anja und Markus

In Deutschland ist das klassische Zuverdiener-Modell am verbreitetsten. Meistens ist der Mann der Hauptverdiener und die Frau kümmert sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder und geht zusätzlich in Teilzeit arbeiten. Mit Gleichberechtigung hat das wenig zu tun. Mit dieser Serie möchte ich vorstellen, dass es anders geht. Es gibt sie, die gleichberechtigten Paare, die das Familienleben gemeinsam wuppen. Hier ist eins von ihnen.

In welcher Lebensphase befindet ihr euch gerade?

Wiedereinstieg vor sechs Jahren gemeistert, normaler Arbeits- und Familienalltag

Wie teilt ihr euch auf und wie kam es dazu?

Das Modell mit der geteilten Elternzeit hatten wir schon beim ersten Kind. Unsere Kita nimmt Kinder erst mit 18 Monaten auf – nach 13 Monaten gab es kein Elterngeld mehr und wir standen finanziell tatsächlich besser da, als ich wieder arbeiten gegangen bin. Es war zunächst also eine rein rechnerische Entscheidung.

Dass das Modell für uns perfekt war, hat sich erst in der Umsetzung gezeigt: Benjamin sagt heute, dass die Elternzeit mit die beste Zeit in seinem Leben war und er es wunderbar fand, sich Vollzeit um die Kinder zu kümmern und ich hatte nach einem Jahr zuhause genug und wollte gern wieder arbeiten.

Nachdem wir uns also bei unserem ersten Kind die Elternzeit aufgeteilt hatten und es für uns beide so ein Gewinn war, war uns klar, dass wir das wiederholen.

Außerdem arbeiten wir seit der Geburt unseres ersten Kindes beide in Teilzeit mit 80 %. Das heißt: jeder von uns arbeitet vier volle Tage und hat einen Tag frei. Der, der frei hat, übernimmt die Kinder an diesem Tag, also bringt sie in die Kita, holt sie ab, nimmt Termine wahr etc. An den Tagen, an denen wir beide arbeiten, wechseln wir uns ab.

Welche Widerstände gibt es? 

Der Nachteil ist, dass man als Teilzeit-ArbeitnehmerIn eher belächelt wird, als wenn man Vollzeit arbeitet. Viele Entschlüsse werden getroffen, während der/die ArbeitnehmerIn abwesend ist; klarer Anwesenheits-/Stundenvorteil. Das bedeutet auch, dass sich viele TZ-Kräfte ungleich mehr ins Zeug legen müssen, um mit den Kollegen gleich auf zu sein. Wohlgemerkt neben Familie und dem alltäglichen Leben. Karriere bleibt auf der Strecke.

Die Akzeptanz der Arbeitgeber für Teilzeit-arbeitende Männer ist gering, ebenso die Inanspruchnahme der elterlichen Pflichten wie Kind krank. Bei mir als Frau kam ein, „Ja ok, ist halt so.“ oder „Wir brauchen eine Bescheinigung vom Kinderarzt“. Bei meinem Mann war Murren die harmlosere Reaktion, bis zum Hinweis, dass er vor Ort gebraucht würde. In seiner Position wäre Homeoffice ebenfalls ohne Probleme möglich gewesen. Ebenso kam es mehrfach zu Kommentaren, wenn mein Mann morgens später oder nachmittags mal früher gehen musste, um den Kinderdienst zu übernehmen. Dienstreisen meinerseits hat er persönlich gerne aufgefangen, beruflich war es für ihn unangenehm, obwohl genügend Überstunden und Engagement seinerseits vorhanden war.

Der Wunsch seine Position in TZ mit 30 oder 35 Std. auszufüllen, wurde vehement abgewehrt. Von der Machbarkeit ohne Probleme umsetzbar. Viele Positionen verlangen laut Arbeitgeber eine Vollzeit-Auslastung. Geteilte Stellen sind vielfach im mittleren Management unvorstellbar. Die Karriere-/ Wachstumschancen sind dann ähnlich wie bei den Frauen minimiert.

Was ist euer größter Abfuck?

Genau die oben genannten Hürden bei den Arbeitgebern. Mehr oder weniger wird man in die Positionen/Rollen gezwungen, wenn man nicht dauerhaft als Sachbearbeiter arbeiten möchte. Durch meine Spezialisierung auf Product Compliance bin ich für Arbeitgeber aufgrund der Seltenheit solcher Fachkräfte interessant und habe eine andere Verhandlungsbasis als viele meiner MitstreiterInnen.

Welche Gedanken habt ihr euch vor der Elternzeit gemacht?

Wir wären gerne beide nach der Elternzeit in Teilzeit-Stellen gewechselt, z.B. jeder 30 Std. Wir beide arbeiten gerne, gehen in unseren Berufen auf und möchten etwas bewegen und wir möchten gerne mit unseren Kindern Zeit verbringen/uns als Familie wahrnehmen.

Womit habt ihr zu kämpfen, wenn es um den Wiedereinstieg in den Beruf geht?

Markus ist in Vollzeit zurückgekehrt, da er seine Arbeitsstellen nur in Vollzeit erhalten hat. Ich bin im möglichen Betreuungsrahmen in Teilzeit zurückgekehrt. Die Betreuungszeiten sind ein weiterer Aspekt. Während eine Vollzeit-Stelle 8,5 Std. mit Pause verlangt, sind die Betreuungszeiten/Öffnungszeiten auf 8,5 Std. festgelegt. Ein Ding der Unmöglichkeit. In Karlsruhe war mein erstes Kind in einer Krippe, die von 7 bis 18 Uhr geöffnet hatte und ich hatte Gleitzeit. Das war ein Traum. Hatte das Kind morgens schlechte Laune, konnten wir uns Zeit nehmen. Waren wir früh wach, waren wir zeitig in der Krippe, ich früher auf der Arbeit und wir konnten früher gemeinsame Zeit genießen. Ein tolle Lösung für alle Beteiligte. Der Betreuungsumfang war trotzdem auf die maximalen 45 Std. begrenzt. Ich denke, es muss auch eine Grenze geben, damit dieses Angebot nicht zum Nachteil der Kinder dauerhaft ausgereizt wird.

Was beschäftigt euch am meisten beim Thema „Arbeiten mit Kind(ern)“?

Tatsächlich die Wertigkeit der Arbeit, die Produktivität während der Arbeitsstunden und die Kinderbetreuung. Könnten beide Elternteile frei und unabhängig vom Geschlecht entscheiden, wie viele Stunden sie arbeiten möchten, um der Familie/den Kindern gerecht zu werden, würden viele Familien ein anderes Leben führen.

Darüber hinaus leisten die Eltern nicht nur weiterhin einen Beitrag an das beschäftigende Unternehmen. Ganz nebenbei sind sie es, die unserer immer älter werdenden Gesellschaft, mit all den daraus resultierenden Konsequenzen für Sozial- und vor allem Rentenversicherungssysteme mit Ihren Kindern entgegenwirken; die potentiellen Arbeitskräfte, die ihren Beitrag zu unseren Sozial- und Rentenversicherungssysteme leisten werden. DAS sollte sich jeder Politiker und Arbeitgeber verinnerlichen.

Wenn du dir was wünschen könntest, was würdest du dir zum Thema Elternzeit und Wiedereinstieg wünschen?

Ein wie oben beschriebenes System bei den Arbeitgebern und in der Kinderbetreuung bieten die nötige Flexibilität, um den Familienalltag, Kinderlaunen und Arbeitsnehmerbedürfnisse entspannter aufzufangen. Natürlich immer einen verantwortungsvollen Umgang der Arbeitsnehmer/ Eltern vorausgesetzt. Arbeiten die Eltern in Teilzeit ist der maximale Betreuungsumfang von 45 Std. absolut ausreichend, so dass die Lösung auch den Kindern gerecht wird.
Meine Erfahrung ist, die meisten Eltern wollen gut sein; auch auf der Arbeit in Teilzeit.

Zum Wiedereinstieg wünsche ich mir:

Weniger Druck, mehr Blick auf die vielen Jahre, die den jungen Kinderjahren folgen. Mehr Offenheit für flexible/agile Lösungen.

Wie hat sich deine Einstellung zu deiner Arbeit mit der Geburt deines Kindes verändert?

Wir haben die rosarote Brille der „New Work“ verloren. Ich persönlich als Frau sehe die Folgen der Emanzipation. Wir dürfen mehr und müssen dafür mehr stemmen. Der letzte Schritt, dass Emanzipation mit der Gleichberechtigung/Gleichverpflichtung auf vielen Ebenen für Männer und Arbeitgeber einhergeht, fehlt. Emanzipation wird gleichgesetzt, du darfst alles, schau, wie du schaffst, ich (Mann) helfe dir. WHAT??? Und nein, es ist von vielen Männern auch nicht böse/absichtlich, sondern einfach ein Kapazitätsproblem.

Wo hat euch das Leben mit Kind überrascht? Was habt ihr euch ihre anders vorgestellt?
Wo kommt ihr an eure Grenzen?

Nun, Kinder bringen ihre Persönlichkeit mit, sie funktionieren nicht immer wie unsere Gesellschaft heute geplant/aufgestellt ist. Als Eltern kann man viel planen, das Kind kann eine andere Lösung einfordern, wenn man einen gerechten Weg finden möchte.
Wir haben gedacht, dass unsere Gesellschaft an vielen Punkten kinder- und familienfreundlicher ist. Die Betreuungsplätze sind dermaßen limitiert, dass wir als Eltern kaum über die Einrichtung entscheiden können, die zu unseren (Erziehungs-)Vorstellungen passt. Ein Beispiel ist der Kita-Navigator zur Verteilung der Kitaplätze in NRW. Und wir haben gedacht, dass Teilzeit bei Männern und eine gleichberechtigte Erziehung/Kinderzeit durchaus möglich sind.
Ein weiterer Punkt waren/sind die eigenen Werte/Rollenbilder, die plötzlich ganz konservativ um die Ecke kamen und durch die ganzen Umstände bei Arbeitgeber etc. verstärkt werden; Mann Versorger, Frau Familienmanagerin für Kinder, das Schöne und Haushalt.

Welchen Tipp würdest du gerne allen Müttern mitgeben?

Schützt euch vor PerfektionistenInnen!

Auf jeden Fall am Beruf und seiner Ausübung festhalten; sich nicht auf das Abstellgleis schieben lassen und keine Angst vor einem Arbeitsstellenwechsel haben. Achtet auf eure eigene (berufliche) Zufriedenheit. Fordert die Männer auf, eine gleichberechtigte Partnerschaft mit allen Konsequenzen zu führen. Lasst manchmal fünfe im Haushalt und im Leben mit Kindern gerade sein. Habt die Jahre im Blick; je älter das Kind, desto mehr Raum für andere berufliche Tätigkeiten sind da.

Welchen Tipp würdest du gerne allen Vätern mitgeben?

Emanzipiert euch! Fordert Teilzeit und Zeit für Familie, Haushalt und Kinder. Teilt die anfallenden Arbeiten/Tätigkeiten mit eurer Partnerin. Macht es zur Normalität und nutzt die Jahre mit den Kindern inklusive der Pflichten.

Was wünscht ihr euch?

Das Teilzeit Eltern und ein flexibleres Betreuungskonzept zur gelebten Normalität werden.

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