Traditionelle Rollenverteilung – bringt uns Corona zurück in die 50er?
Was hat uns der Lock-Down geschlaucht. Kindergärten zu, Schulen zu, Spielplätze zu, Vereine zu und dann noch Homeoffice parallel zu Homeschooling und Kinderbetreuung. Das sind zwei Jobs, die gleichzeitig erledigt werden sollen. Ganz schön viel auf einmal. Berufstätigkeit und Kinderbetreuung zu vereinbaren ist schon ohne eine Pandemie ein Kunststück. In der Lock-Down Zeit wurde es zu einer unheimlichen Belastung. Vor allem für die Mütter. So war der Eindruck in den Sozialen Medien, auf Blogs und in meinem Umfeld.
Rolle rückwärts für die Gleichberechtigung?
Zu Beginn der Krise gab es Befürchtungen von unterschiedlichen Seiten, dass der Lock-Down zu einer Retraditionalisierung der Familie führt. Also, dass es wieder vornehmlich die Frauen sind, die sich um Haus- und Sorgearbeit kümmern. Während die Männer unbehelligt ihrem Job nachgehen, an ihrer Karriere arbeiten und in die Rentenkasse einzahlen können. Mütter zurück an den Herd!
Wer betreut die Kinder?
93 % aller Eltern betreuten ihre Kinder während des Lock-Downs selbst zu Hause. Großeltern sprangen nur bei 1,4% ein (zuvor 8,3%). Wenn man nebenbei berufstätig ist, ist das eine enorme Belastung! Im April hat die Mannheimer Corona-Studie herausgefunden, dass in der Hälfte der Fälle die Frau alleine die Kinderbetreuung übernahm. Ein Viertel teilte sich die Betreuung und bei einem Viertel übernahm der Mann. Das führte zu dem Schluss, dass die Corona-Krise das Potential hat Geschlechterungleichheiten zu verstärken und Mütter ihre Errungenschaften der letzten Jahre mir nichts, dir nichts aufgeben.
Das überraschende Ergebnis
Es gibt ein Problem bei der Kinderbetreuung und Mama springt sofort ein? Mama macht das schon? Mama kümmert sich um alles. Das war die Befürchtung. So ist es nicht gekommen. Die zusätzliche Mehrarbeit, die durch den Lock-Down entstanden ist, teilten sich Paare meist zu gleichen Teilen auf. Alles was extra kam, wurde ungefähr Halbe/Halbe geteilt. Die zusätzliche Hausarbeit wurde gleich aufgeteilt, Männer haben hier sogar ein bisschen mehr übernommen als die Frauen. Ich gebe zu, ich war überrascht, dass es so war. Mein subjektives Empfinden hat viel deutlicher gezeigt, dass überall wo ich hinsah, Mütter am Limit und völlig gestresst waren. Wenn die Mehrarbeit doch gleich aufgeteilt war, wieso war die Doppelrolle für so viele so anstrengend?
Mütter in der Krise
Die Soziologin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung Jutta Allmendinger warnte vor der Rolle rückwärts in der Rollenverteilung. Die Arbeits- und Lebenszufriedenheit insgesamt sei bei Müttern deutlich zurück gegangen. Stärker als bei Vätern und bei kinderlosen Personen. Ganz unwissenschaftlich: das wundert mich überhaupt nicht. Wenn ich zwei Tätigkeiten habe, die insgesamt 16 Stunden beanspruchen, ich nur 10 Stunden zur Verfügung habe, dann bin ich frustriert, weil überfordert und hilf- und perspektivlos.
Die Krise hat die traditionelle Rollenverteilung nicht bestärkt
Zwei Jobs gleichzeitig zu erledigen ist anstrengend. Und wenn wir mal genauer in die Daten gucken, gibt es Gründe, warum Mütter die Krise geschlaucht hat. Denn Mütter tragen nach wie vor die Hauptlast was Haus- und Sorgearbeit angeht. Die Krise hat die traditionelle Rollenverteilung nicht bestärkt. Diese Rollenverteilung war nie weg. Guckt man mal in den Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2018, kann man sehen: Frauen deutlich machen mehr. Männer verrichteten 52,4 % weniger an unbezahlter Sorgearbeit als Frauen.
Teilzeit-Arbeit ist Frauensache
Dass Frauen sich im Schnitt zu Hause mehr einbringen als Männer liegt auch daran, dass sie seltener in Vollzeit beschäftigt. Die Teilzeitquote bei Müttern in Deutschland lag laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2018 bei 66,2 Prozent, bei Vätern hingegen bei gerade mal 5,8 Prozent. Weil Erwerbsarbeit und Familienarbeit kaum zu vereinbaren sind, teilen sich viele Paare die Aufgaben traditionell auf. Als Mutter beruflich erfolgreich sein ist fast unmöglich. Ehegattensplitting und der Gender-Pay-Gap sind große Treiber dieses Missverhältnisses.
Die traditionelle Rollenverteilung war nie weg
Es gibt keine Gleichberechtigung in Deutschland. auch in der Krise nicht. Den Löwenanteil an Kinderbetreuung und Hausarbeit haben die Frauen gestemmt. Nicht weil wir uns wieder in das traditionelle Rollenbild begeben, sondern weil die traditionellen Rollen noch nie ganz aufgelöst waren. Prozentual gesehen haben Männer in Zeiten der Krise ihren Anteil an Sorge- und Hausarbeit mehr gesteigert als Frauen. Das liegt daran, dass die Frauen vorher schon so unendlich viel gemacht haben, dass es wenig Steigerungspotential gab. Männer widmeten sich gut vier Stunden pro Tag ihren Kindern, Frauen 7,6 Stunden, also fast doppelt so viel.
Männer, die mehr Haus- und Sorgearbeit als Frauen übernehmen gibt es kaum
Männer haben sich zwar mehr in Haus- und Sorgearbeit eingebracht, aber meist nur bis zum Schwellenwert einer gleichgewichtigen Arbeitsteilung. 5-7% der Paare haben die traditionelle Rollenverteilung aufgegeben. Bei ihnen trägt der Mann die Hauptverantwortung für Haus und Kind. Im Vergleich zu vorher war das eine relativ hohe Steigerung. Mal ehrlich, 5-7%, das ist doch ein sehr geringer Anteil.
Hausarbeit ist Frauensache
Die alten Rollenbilder sind noch in unseren Köpfen. Das ist nicht verwunderlich, haben wir es alle noch traditionell vorgelebt bekommen. Bis 1977 war es gesetzlich geregelt, dass die Frau den Haushalt zu führen hat und nur arbeiten gehen darf, wenn sie ihn nicht vernachlässigt (§ 1356 BGB Absatz 1: „[1] Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. [2] Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.). Das ist gerade mal 43 Jahre her – Kinder die damals geboren wurden, sind heute Eltern. Das von den eigenen Eltern vorgelebte Rollenbild ist noch in den Köpfen verankert, was sich in der Teilzeitquote von Müttern widerspiegelt. Wenn du wissen willst, wie es bei euch aussieht, mach den Mental Load Selbststest.
Männer übernehmen Aufgaben – wenn sie Zeit haben
Die Daten zeigen, dass Männer selten mehr machen als die Frau. Die Grenze ist ganz oft eine gleichwertige Aufteilung. Männer, die ihre Arbeitsstunden reduziert haben, haben mehr Haus- und Sorgearbeit übernommen. Frauen haben mehr Haus- und Sorgearbeit übernommen, ganz egal in welchem Umfang sie ihre Arbeitsstunden reduziert haben (selbst, wenn sie gar nicht reduziert hatten…). Es scheint also, dass der Anteil, den die Männer übernehmen leichter anzupassen ist, als der den die Frauen übernehmen.
Wir brauchen bessere Modelle für Familien
Dass sich die Paare mehrheitlich die zusätzliche Haus- und Sorgearbeit gleich aufteilen, zeigt, dass Männer sich mehr in die Haus- und Sorgearbeit einbringen, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind. Flexiblere und reduzierte Arbeitszeiten (Vertrauensarbeitszeiten) und Homeoffice haben dafür gesorgt, dass Männer sich mehr engagieren. Ich sehe das als deutliches Signal an die Politik, hier etwas zu ändern.
Echte Gleichberechtigung ist noch weit weg
Eine Rolle rückwärts hat uns Corona nicht gebracht. Durch die erhobenen Daten haben wir allerdings nochmal deutlich gesehen, was falsch läuft in Deutschland. Die Rollenbilder in unseren Köpfen sind noch so stark verankert, dass Frauen für Kinder- und Hausarbeit verantwortlich sind. Die gute Seite: Männer sind bereit mehr Haus- und Sorgearbeit zu übernehmen, brauchen dafür die richtigen Anreize (=weniger Erwerbsarbeit) Hier hat die Politik die letzten Jahre versäumt die richtigen Rahmenbedingungen für wirkliche Gleichberechtigung und gelebte Vereinbarkeit zu setzen.
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