Vorurteile gegenüber Mütter

Hätte ich das mal vorher gewusst – Wie sich das Leben mit Baby und Kleinkind verändert!

Teil 2 – Beurteilung von anderen: Jeder weiß es besser

Mit dem positiven Schwangerschaftstest entsteht im Kopf das Bild einer perfekten kleinen Familie. Eine glückliche Familie: Vater, Mutter, Kind. Es könnte alles so schön sein, würden nicht auf einmal von allen Seiten Erwartungen an uns herangetragen, manche deutlich, andere im Subtext. Dazu kommen die eigenen Erwartungen, die plötzlich im Kopf auftauchen. Wenn du ein Baby bekommst oder bekommen hast, wirst du zur Zielscheibe der Erwartungen und Beurteilungen anderer. Jeder hat ein Bild der perfekten Mutter im Kopf und projiziert es auf dich.

Egal ob es die eigenen Eltern sind, die Schwiegereltern, andere Mütter im Babykurs, der Kinderarzt oder die Werbung: jeder hat eine Meinung zur Erziehung und Umgang mit dem Baby und Kind und viele verteilen ihre Ratschläge ungefragt. Dazu kommen Erziehungsratgeber aller Couleur und Zeitschriften, in denen frau nachlesen kann, was eine gute Mutter ausmacht. Interessanterweise sind Väter nie Adressat dieser Ratschläge. Das Gelingen und das Misslingen der Erziehung scheint allein in den Händen der Mutter zu liegen.

Mütter stehen unter Druck

Das baut immensen Druck auf. Dazu kommt, dass sich in Sachen Erziehung und Umgang mit Kindern in den letzten Jahrzehnten viel getan hat. Früher gab es ein einheitlicheres „das macht man so“. Kollektive Normen und Vorstellungen halfen der Erziehung. Familien und Mütter mussten nicht ihren eigenen Weg finden, sondern konnten der gesellschaftlichen Vorstellung folgen. (Nur damit wir uns richtig verstehen, ich sage nicht, dass es früher besser war. Ich sage, dass es früher einfacher war, sich zu orientieren).

Wie kannst du nur?! – Was du als Mutter alles falsch machen kannst. Eine kleine Auswahl:

Dein Umgang mit dem Kind

  • Stillen – Du stillst zu lange oder zu kurz oder wohlmöglich gar nicht.
  • Dein Kind ist zu kalt/warm/falsch angezogen
  • Lass es doch mal schreien.
  • Du Rabenmutter guckst auf dem Spielplatz ins Handy.
  • Das Kind muss seine Grenzen kennen. Du lässt ihm zu viel durchgehen.

Zu deiner Bemerkung, dass es anstrengend ist mit Baby/Kleinkind

  • Du hast es dir doch so ausgesucht.
  • Ein Kind braucht seine Mutter.
  • Früher haben das die Mütter das    geschafft.
  • Andere schaffen das sogar ohne Mann.
  • Mein Kind ist deutlich anstrengender als deins.

Deine beruflichen Ambitionen

  • Du kannst doch nicht jetzt schon wieder arbeiten gehen.
  • Wie, du bleibst drei Jahre lang zuhause? Das Kind braucht doch andere Kinder!
  • Wie du bist auf Geschäftsreise und wo ist dein Kind?
  • Warum hast du überhaupt Kinder bekommen, wenn dir deine Karriere so wichtig ist
  • Wer arbeitet und Kinder hat, hat ganz viel familiäre Unterstützung

Und es gibt noch viel, viel mehr…

Mütter dissen andere Mütter

Die meisten negativen Kommentare kommen von anderen Müttern. Ich gehe jetzt mal soweit zu sagen, dass alle Kommentare von Frauen stammen. Es gibt immer etwas auszusetzen. Aber woher kommt dieses als Mom-Bashing oder Mom-Shaming genannte Phänomen?

Die Gesellschaft hat sich individualisiert. Die eine Vorstellung von Erziehung und Mutterschaft hat sich in viele verschiedene Richtungen entwickelt. Das zeigt die Vielfalt der Erziehungsratgeber. Jede Familie kann ihr eigenes Konzept finden und leben. (Dass uns selbst dabei eigene Vorurteile im Weg stehen, kannst du hier nachlesen) Indirekt stellen alle, die es anders machen, die eigene Herangehensweise in Frage. Das kann einen ins Zweifeln bringen, ob der eigene Weg der richtige ist. Das ist mitunter ein großes Konfliktthema mit den Großeltern. Wenn die eigenen Kinder bei der Erziehung neue Wege bestreiten, wird indirekt die damalige Erziehung in Frage gestellt.

Eine weitere Komponente, die das Mom-Bashing verschärft.

Gut ausgebildeten, beruflich erfolgreichen und selbstbestimmten Frauen fällt ein wichtiger Teil in ihrem Leben weg: Die berufliche Herausforderung und damit die gesellschaftliche Anerkennung. Die Energie und das eigene Potential, die früher im Job landeten, werden jetzt in den Umgang und die Erziehung der eigenen Kinder gesteckt. Ein Zweifel an der eignen Methode stellt direkt ein Zweifel an der eigenen Kompetenz dar.

Als Mutter möchte man erreichen, dass die eigenen Kinder gut in die Gesellschaft integriert sind, dass sie respektiert und gemocht werden. Wenn Kritik an der eigenen Herangehensweise kommt, kommen oft Zweifel. Schade ich meinem Kind damit? Mache ich ihm das Leben schwer. Verbaue ich ihm den Weg, wenn ich es nicht in den englischen Kindergarten gebe? Treffen wir uns genug mit anderen Kindern? Oder zu wenig? …

Frauen vergleichen sich oft – bewusst oder unbewusst – mit anderen Frauen. Frauen sind gegenüber anderen Frauen oft hart bis ungerecht im Urteil. Es gibt Studien, die die Evolution dahinter sehen, weil wir alle um unsere Fortpflanzung konkurrieren. Wenn ich gerade Mutter geworden bin, brauche ich mir um den Fortbestand meiner Gene keine Sorgen machen. Dann gibt es noch eine Theorie, dass Frauen so erzogen wurden. Da es Mädchen nicht gestattet wird, ihre Aggression und den Konkurrenzkampf offen auszuleben, müssen sie andere Strategien finden. Jungs dürfen sich prügeln, Mädchen nicht (mehr zu Rollenklischees kannst du hier lesen). Frauen haben es demnach nicht gelernt offen mit Konkurrenz umzugehen. Weiblicher Konkurrenzkampf muss subtiler und versteckter erfolgen.

Warum muss Erziehung Konkurrenzkampf sein?

Es stimmt nach wie vor und es wird wohl immer stimmen: Eltern wollen für ihre Kinder das Beste. Wie der Weg dorthin ist, muss jeder für sich selbst herausfinden. Wir sitzen alle im selben Boot, nur steuern wir es unterschiedlich. Wir haben alle die selben Probleme und wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Unser Weg wird nicht besser, wenn wir den Weg der anderen niedermachen. Wir kommen viel weiter, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und helfen.

Mein Umgang mit Mom-Bashing

Natürlich habe ich diese – oft versteckte – Kritik von anderen Müttern schon abbekommen. „Kein Wunder, dass dein Kind nicht im Kinderwagen liegen will. Du trägst es ja ständig herum.“ Natürlich will ich direkt auf den Erklärungszug aufspringen, mich rechtfertigen, meinen Weg verteidigen. Ich lasse es bleiben. Ich atme und frage mich, was denn gerade wirklich wichtig ist. Was diese mich verurteilende Person über mich denkt? Wie ich mich rechtfertigen und besser noch, die Person bekehren und von meinem Weg überzeugen kann? Oder ob ich diese Energie nicht besser in die Beziehung zu meinem Kind stecke? Die Antwort war bisher eindeutig. Ichh denke nicht, dass sich das ändern wird.

Meine bösen Gedanken im Kopf

Und jetzt mal von der anderen Seite aus. Ich gestehe, ich kann mich nicht davon frei machen, dass ich in meinem Kopf andere Mütter verurteile. Ich ärgere mich über meine Engstirnigkeit und dass ich so schnell in die Beurteilungsschiene springe. Immerhin fällt es mir leicht, mein Urteil in meinem Kopf zu lassen und nicht auszusprechen. „Leben und leben lassen“ sagt man in Köln. Dennoch wundert es mich, woher es kommt, dass ich andere Mütter im Umgang mit ihren Kindern oder schlicht in ihrem Dasein beurteile.

Was verursacht diese Gedanken in meinem Kopf und welchen Hintergrund haben sie?

Es hilft mir, mich zu fragen, was mich an der anderen Person stört. Das Ergebnis fällt immer in zwei Kategorien: Entweder, ich will in keinem Fall so sein, wie die Mutter, die ich in Gedanken verurteile. Weil ihr Verhalten gegen meine Werte und Vorstellung entspricht. Ein gutes Beispiel hierfür ist die rauchende, den Kinderwagen schiebende Mutter. Es bringt weder ihr noch mir was, wenn ich meine Beurteilung ausspreche. Zudem kenne ich die Situation der Mutter nicht. Vielleicht ist sie gar nicht so verantwortungslos, wie ich sie darstelle.

Ein Gedankenexperiment – überlege dir immer eine positive Geschichte

Vielleicht hat sie eine gewaltvolle Kindheit erlebt, hat dadurch kaum ein positives Selbstbild entwickeln können. Vielleicht ist sie dadurch in eine Drogensucht abgerutscht, aus der sie sich mühevoll herausgearbeitet hat. Vielleicht will sie jetzt ihr Leben in die Hand nehmen, hat eine Familie gegründet und möchte ihren Kindern eine viel bessere Kindheit bieten, als sie eine hatte. Wir alle wissen, wie anstrengend das Leben mit kleinen Kindern sein kann. Vielleicht ist ihr Ventil die Zigarette. Wahrscheinlich weiß sie, dass rauchen nicht gesund ist, aber um es wegzulassen, fehlt ihr die Kraft.

Positive Grundannahmen heben die eigene Stimmung!

Das ist ein sehr wirksamer Trick, der nicht nur im Hinblick auf andere Mütter hilft. Sobald wir anfangen uns über ein Verhalten zu ärgern, können wir uns positive Geschichten ausdenken, warum Menschen sich so verhalten. Wir können die Geschichten so bunt und romantisch malen, wie uns es gefällt. Es hat den Effekt, dass wir sofort Empathie mit dem anderen entwickeln und uns selbst aus der motzenden Stimmung herausheben.

Der andere Grund für Mom-Bashing

Zurück zur vorschnellen Be- und Verurteilung anderer Mütter. Mein zweiter Grund, für meine negativen Gedanken gegenüber anderen Müttern ist so niederträchtig wie simpel: Neid. Ja, ich bekenne mich dazu. Wenn wir den Neid umdrehen, dann sehen wir, was dahintersteckt: Bewunderung. Ein Beispiel: Gut gekleidete und gestylte Mütter auf dem Spielplatz. Ich beneide das. Anstatt die anderen Mütter zu verurteilen, weil ich es nicht schaffe, kann ich in mich gehen und mich fragen, warum ich das nicht schaffe.

Der Blick hinein

Ich nehme mir nicht die Zeit und die Energie für mein äußeres Erscheinungsbild, wenn ich mit den Kindern auf den Spielplatz gehe. Grundproblem Nummer eins ist, dass mein Kleiderschrank schon sehr lange kein wirkliches Upgrade mehr erhalten hat und viele Teile zehn Jahre oder älter sind (ehrlich). Ich bin denen entwachsen. Ein anderer Aspekt ist, dass ich sowieso wieder Flecken und Staub auf die Klamotten bekomme, weil ich auch ganz gerne mit meinen Kindern eine Sandburg baue. Wo wir schon beim nächsten Punkt sind. Ich mag Nagellack, aber bei meiner Lebensweise bleibt er keine 24 Stunden schön auf meinen Fingern…

Bleib bei dir

Das kleine Experiment zeigt, wie schnell es gelingen kann, die eigenen Gedanken weg von anderen und hin zu einem selbst zu lenken. So lerne ich mich und das was mir wichtig ist bei jedem negativen Gedanken über andere Mütter besser kennen. Vielleicht ändere ich meine Verhaltensweisen (kaufe mir mal wieder neuer Klamotten) oder bin dankbar (für meine unbeschwerte Kindheit). Und wenn ich so bei mir angekommen bin, kann ich die rauchende Mama anlächeln und der anderen Mama auf dem Spielplatz aus tiefstem Herzen sagen: Tolles Kleid hast du an!

Dieser Artikel es ist der zweite Teil der dreiteiligen Serie. „Hätte ich das mal vorher gewusst: Wie verändert sich das Leben mit Baby“ Hier sind die anderen Teile:

Teil 1 – Die Partnerschaft

Teil 3 – Berufliche Chancen von Müttern

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