Hätte ich das mal vor der Geburt meines Babys gewusst…
Der Schwangerschaftstest ist positiv und schon haben wir das Bild einer perfekten kleinen Familie im Kopf. Ein niedliches Baby liegt im Arm der Mutter und der Vater kuschelt sich an die beiden. In den Medien sehen wir nichts anderes. Auch auf Instagram & co. sieht man fast ausschließlich friedlich schlafende, unfassbar süße Neugeborene und überglückliche Eltern. Doch wenn das eigene Baby auf der Welt ist, kommt der Realitätsschock. Natürlich gibt es die Kuschel-Momente. Dahinter liegt allerdings noch viel mehr, vor allem Überforderung.
Google-Check: Beziehung nach Baby
Wenn man bei Google „Beziehung nach Baby“ eingibt, werden folgende alternativen Suchanfragen angezeigt (Mach gerne den Test. Gib „Beziehung nach Baby“ bei Goolge ein und scrolle dann ans Seitenende. Google aktualisiert die Liste, je nachdem was gesucht wird. Meine Ergebnisse sind vom 30. Juli 2020)
Zugegeben, das ist keine schöne Liste. Es ist nicht ein positiver Punkt dabei. Wie kommt es also, dass die Krönung der Liebe oft große Probleme für die Liebe mitbringt? Hier ein paar Gründe:
Babyblues
Der Körper der Frau ist keine Maschine. Auch wenn man das fast glauben könnte, wenn man sieht, dass er ein perfektes kleines Menschenkind produziert und auf die Welt bringt. Wahrscheinlich hast du schon während der Schwangerschaft gemerkt, dass du nicht immer du selbst bist. Schuld sind die Hormone. Sie sacken nach der Geburt ab und verändern sich. Manchmal mit dramatischen folgen. Mama weint. Mama ist traurig. Mama kann das Baby gar nicht so genießen, wie sie vermeintlich sollte. Mama hat deswegen ein schlechtes Gewissen.
Wer eine gute Hebamme hat, kommt vielleicht besser damit klar. Dennoch, so hat man sich die Zeit mit dem Baby nicht vorgestellt. Es sollten viele Kuscheleinheiten, verliebte Babyblicke und tiefe Verbundenheit mit dem Partner sein. Manchmal ist da aber einfach nur Überforderung, Müdigkeit und Desinteresse. Alles nervt. Alles, was der Partner macht, ist aber falsch. Mama fühlt sich unverstanden und versteht sich manchmal selbst nicht. Das ist normal und gehört dazu.
Babyfrust statt Babyfreude
Das Baby schläft leider nicht so liebevoll, wie es die Hochglanzbilder im Internet zeigen. Das Baby schreit. Manchmal schreit es sogar viel. Manchmal bekommt man es nicht beruhigt. Oder nur, wenn es 24/7 an dir klebt. Ja, das wird einem vorher gesagt. Nein, darauf kann man sich nicht vorbereiten. Es ist ekelhaft auf einmal so in die Fremdbestimmung zu fallen. Das überfordert. Ehrlich. Jede Mutter. Die eine mehr, die andere weniger. An diese neue Situation muss man sich erst gewöhnen. Überforderung. Etwas, wovon im öffentlichen Raum kaum gesprochen wird. Es ist ok zu sagen: „Ich bin teilweise mit meinem Baby überfordert.“ Das ist keine Schande. Das wird nur nicht kommuniziert. Es ist auch vollkommen ok, zu sagen „Das Baby nervt mich.“ Wir wissen, dass es nicht das Baby ist, sondern die Fremdbestimmung und die Erschöpfung. Das ist vollkommen ok.
Zu müde zum Reden
Was nicht ok ist, ist nicht darüber zu sprechen. Ein Baby ist eine Belastungsprobe für die Beziehung. Jeder muss erstmal in seine neue Rolle finden. Dazu gehört es, die Überforderung und die eigenen Schwächen einzugestehen und um Hilfe zu bitten. Die Abwärtsspirale startet, wenn Vorwürfe ins Spiel kommen Schreiende Babys verursachen Stress im Körper. Der Körper gewöhnt sich an diesen negativen Stress nicht. Wenn der Körper und negativem Stress steht, schaltet er auf Autopilot und hat nur zwei mögliche Reaktionen: Flucht oder Kampf also Resignation oder Streit. Alleine gelassen fühlen im Rückzug oder frustriert sein im Konflikt mit dem Partner.
Das Baby sagt, wo es lang geht
Euer Alltagsrhythmus wird vom Baby bestimmt. Spontane Aktivitäten sind kaum möglich und brauchen einen gewissen Vorlauf (Wie lange werden wir weg sein? Bekommt das Baby eventuell Hunger? Was müssen wir alles einpacken? etc…). Spontan weg gehen kann immer nur einer, ohne Baby. Wenn das Baby gestillt wird, dann ist es meistens die Mutter, die zurücksteckt. So kann der Vater Hobbies ausüben oder spontan Freunde treffen. Meist fühlt es sich dann für die Mutter so an, als habe sich das Leben des Vaters überhaupt nicht verändert. Der Mann darf zurück ins alte Leben und die Frau muss sich komplett neu organisieren.
Mama und Baby bilden eine Einheit
Also kümmert sich die Frau um das, was ihr jetzt bleibt: das Baby. Das führt dazu, dass sie zur Baby-Expertin wird und der Vater alles nur falsch machen kann. Vielleicht liest du diese Zeilen und kannst dir das nicht vorstellen. Aber so komisch ist das gar nicht. Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Zeit mit meinem Erstgeborenen. Ich war in Elternzeit, der Papa hatte einen Vollzeitjob in einer anderen Stadt. Ich war also wochentags 13 Stunden mit unserem Sohn allein. Es gab vieles, was ich in dieser Zeit über unseren Sohn gelernt habe. Wie ich ihn am schnellsten Wickeln kann, was er mag, was er nicht mag. Allgemein, wie der Umgang mit ihm am besten funktioniert. Ich hatte einen eindeutigen Wissensvorsprung.
Ich wusste immer schneller als der Papa, was das Problem unseres Sohnes war. Nicht weil ich es per se besser konnte. Ich hatte schlichtweg einen deutlichen Lernvorsprung. Wenn das kleine Babymenschlein so herzzerreißend schreit, ist es kaum auszuhalten nicht sofort das Problem zu lösen (der negative Stress…). Wenn der Papa aber gerade herauszufinden versucht, was dem Baby fehlt, fühlt der sich schnell bevormundet und unfähig, wenn Mama sofort und immer übernimmt oder ihm die Lösung ins Gesicht brüllt. Manchmal habe ich genau das getan. Es kam nie gut an. Die Lösung für uns war, dass ich das Zimmer verlassen habe. Vater und Sohn sollten ihre eigenen Erfahrungen machen. Schließlich wusste ich, dass mein Sohn einen liebevollen, fürsorglichen und zugewandten Vater hat, dem schlichtweg ein paar Stunden Erfahrung fehlten. Leicht war es trotzdem nicht.
Vollzeitverdiener vs. Vollzeitkümmerer
Manchmal verfestigt sich aber diese Situation. Mama ist die Baby-Expertin und Papa der Vollzeitverdiener. Teilweise arbeiten Männer nach der Geburt eines Babys mehr als zuvor. Die Frau kümmert sich zuhause um alles, ist aber unzufrieden mit der Situation. Es fehlt an Wertschätzung, Anerkennung und auch finanzieller Unabhängigkeit. Der Mann hat den Eindruck nur noch das fünfte Rad am Wagen zu sein und zuhause nichts beitragen zu können. Beide sind so in ihren Rollen eingebunden, für die sie sich gar nicht aktiv entschieden haben. Jeder hat das Gefühl im Bereich des anderen nichts beitragen und leisten zu können. So kapseln sich die Partner immer weiter voneinander ab und die Kommunikation dient nur noch dazu, den reibungslosen Ablauf des Familienlebens zu organisieren.
Mit Vollgas durch die Rush-Hour des Lebens
Zu organisieren gibt es auf einmal unendlich viel. Mit den Kindern ändert sich das Leben und die Verantwortung. Viele Paare entscheiden sich dafür wegen und für das Kind ein Haus zu bauen. Dazu kommen dann Kinderbetreuung und Organisation im Alltag, Karriere-Bestrebungen (meistens nur des Mannes), Altersvorsorge (die mit Kindern auf einmal viel wichtiger ist als vorher) und nebenher der ganz normal Haushalts-Wahnsinn mit einem bedürftigen Baby/Kleinkind. Es gibt eine lange To-Do-Liste abzuarbeiten. Hauptsache der Laden läuft und das System funktioniert. Manchmal bleibt dabei die Partnerschaft auf der Strecke und aus der Beziehung wird eine Arbeitsgemeinschaft.
Zugegeben, so muss es nicht dauerhaft kommen. Aber es wird sicherlich Phasen geben, in denen es so kommt. Was hilft? Sich auf jeden Fall darauf einstellen, dass ein Baby nicht die Krönung der Beziehung ist sondern anstrengend. Außerdem Reden. Reden. Reden. Arbeit teilen. Ehrlich sein.
Dieser Artikel es ist der erste Teil der dreiteiligen Serie. “Hätte ich das mal vorher gewusst: Wie verändert sich das Leben mit Baby” Hier sind die anderen Teile:
Teil 2 – Vorurteile und Beurteilungen von anderen
Teil 3 – Berufliche Chancen von Müttern
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