Umfrageergebnisse zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Was ist eigentlich diese Vereinbarkeit, von der alle – auch ich – sprechen. Wo liegt das Problem? Was macht es so schwer Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen? Kann es dafür eine Lösung geben? Ich wollte das Thema und die Problematik Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser verstehen. Weil ich auf der Suche nach einer Lösung bin. Dafür habe ich eine kleine qualitative Umfrage gestartet, und 45 Antworten erhalten. Die Ergebnisse stelle ich hier zusammengefasst vor.
Wenn du an das Thema “Vereinbarkeit von Familie und Beruf” denkst, was beschäftigt dich am meisten?
Das Hauptproblem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: In den Köpfen der Eltern (meist der Mütter) sieht es anders aus, als die Strukturen in unserer Gesellschaft es ermöglichen. Die Probleme gliedern sich in zwei Bereiche. Die berufliche Komponente und die private Situation.
Frauen möchten gerne beruflich vorankommen und etwas beitragen, ihnen wird in Teilzeit nicht die Möglichkeit dazu gegeben. Wenn sie dann Vollzeit arbeiten gehen (was sie nicht immer wollten), dann kommt das schlechte Gewissen dem Kind gegenüber hoch (“Bin ich genug für mein Kind da?“) oder der Zweifel, ob die Betreuung gut genug ist. Falls eine gefunden wird. Stichwort Kindergartenplatzsuche. Ganz außen vor und ungelöst ist die Problematik, wenn ein Kind krank wird (oder aktuell, der Quarantäne-Fall eintritt). Das Vereinbarkeits-Kartenhaus hat kein gesundes Fundament und bricht schnell zusammen, wenn etwas anders läuft als geplant.
Vereinbarkeit bedeutet momentan in jedem Lebensbereich alles zu geben und richtig gut darin zu sein, damit beide Welten bedient werden können. Als Teilzeit-Berufstätige bedeutet es sogar, noch besser als Vollzeit-Arbeitende zu sein, damit man das Mama-Stigma loswird. So suchen die Umfrageteilnehmenden nach einer Effizienzstrategie oder wünschen sich mehr Zeit.
„Wie kann ich noch besser meine Zeit nutzen.“
„Der Tag ist zu kurz für: den Job 100prozentig gut machen, die Kinder bedürfnisorientiert zu begleiten, Partnerschaft und Freundschaften gut zu pflegen….“
„Ich wäre gerne erfolgreicher im Job, in Teilzeit traut man mir keine guten Leistungen zu /werde ich nicht so gefordert wie bisher.“
“Die Rolle und wenig Verständnis einer Teilzeitrolle – überhaupt die Rolle, die man zugesprochen bekommt. Ich muss aktuell beweisen, dass ich meinen alten Job auch nach der Elternzeit leisten kann, auch in Teilzeit.”
Flexiblere Arbeitsmodelle helfen bei der Vereinbarkeit
Es fehlt das passende Arbeitsmodell, bzw. die Flexibilität des Arbeitgebers, dass auch Menschen in Teilzeit Karriere machen können. Anspruchsvolle Projekte sollten auch vergeben werden, wenn der Arbeitnehmende am späten Nachmittag nicht mehr in der Firma anzutreffen ist.
Wertschätzung als Teilzeit-berufstätige Mutter
Wertschätzung ist ein Thema, welches in der Umfrage mehrfach genannt wurde. Ob es die Wertschätzung im Unternehmen ist (wer Teilzeit arbeitet, ist weniger wert) oder generell von der Gesellschaft (Die ist ja nur Hausfrau und Mutter und arbeitet ein bisschen als 450€ Kraft). Oder ob es um die Wertschätzung der Sorgearbeit in der Elternbeziehung geht, in der der Mann nicht anerkennt, dass die Frau arbeitet. Die Zeit des Mannes ist mehr wert, weil er Geld nach Hause bringt. Sorgearbeit wird nicht als Arbeit gesehen. Wer die Carearbeit verrichtet, braucht keinen Zeitausgleich, weil er (vielmehr sie) nicht arbeitet. Teilweise erkennen die (Ehe-)Männer die Care-Arbeit nicht als Arbeit an. So wird argumentiert, dass seine Pausen wichtiger sind, weil er arbeitet und die Frau nicht.
Echte Gleichberechtigung für gelingende Vereinbarkeit
Je mehr die Hausarbeit und die Kinderbetreuung aufgeteilt wird, desto besser funktioniert die individuelle Vereinbarkeit. Wenn beide Eltern gleich verantwortlich für alle Lebensbereiche sind, bringt es Entspannung. Auch unter den Teilnehmenden, die anerkennen, dass Haushalt und Kümmern Arbeit bedeutet, sind hauptsächlich die Mütter dafür verantwortlich.
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Was unter der Vereinbarkeit leidet, sind die Pausen
Es ist zu wenig Zeit für alles – das war ein gemeinsamer Tenor in der Umfrage. Momentan sieht die individuelle Vereinbarkeitslösung so aus: Produktiver und effizienter werden. Bestmöglich alles abarbeiten und auf alle Pausen verzichten. Fehlende Pausen ist der größte Stressfaktor beim Thema Vereinbarkeit. Fast alle wünschen sich mehr Zeit für sich oder Pause. Die Pausen verschwinden zugunsten von Dingen, die erledigt werden müssen.
“Das größte Problem ist der Grad der Erschöpfung. Keine Zeit für Pausen. Keine Zeit für die eignen Bedürfnisse. Frust aufgrund der eigenen Ansprüche und der Lebensrealität.”
“Alles am Wochenende nachholen zu müssen, was in der Woche liegen geblieben ist.”
Wie gelingt sie nun, die Vereinbarkeit?
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist momentan nur mit individuellen Lösungen möglich. Es fehlt an den nötigen Strukturen dafür.
“Das Gefühl, dass es nur mein Problem ist und ich, wenn ich arbeiten will, selbst schauen muss, wie ich es hinbekomme.”
Die Teilnehmenden wünschen sich verantwortungsvolle Jobs mit Aufstiegschancen in Teilzeit machen zu können. So können sich beide Elternteile beruflich weiter entwickeln und müssen nicht auf Anerkennung im Berufsleben verzichten. Gleichzeitig bleibt mehr Zeit, um sich der Haus- und Sorgearbeit zu widmen.
“Wir, mein Mann und ich, würden beide in Teilzeit arbeiten, ohne beruflich einzustecken und könnten uns die wertvolle Zeit mit dem Kind teilen und den Rest des Alltags auch!”
“Wertschätzung von Teilzeitkräften und Gleichstellung von Frauen und Männern.”
Flankiert sollte dieses Konzept mit bedarfsgerechter Kinderbetreuung werden. Mit bedarfsgerecht meine ich eine an die Bedürfnisse der Eltern angepasste Betreuung. Was bringt eine Betreuung von 8:00 bis 16:00 Uhr, wenn ich um 7:00 Uhr anfangen möchte zu arbeiten…
“Kinderbetreuung die wirklich gut ist.”
“Längere Kita Öffnung oder verständnisvolleren Arbeitgeber des Partners bzw. Teilzeit auch für ihn.”
Vereinbarkeit geht nur mit Gleichberechtigung
Dann gab es da noch eine Spalte, die hieß: hast du noch eine Anmerkung oder sonst was zu dem Thema. Und die war eindeutig: Männer mit ins Boot holen. Nur gemeinsam gelingt die anstrengende Lebensphase die Erwerbstätigkeit und das groß ziehen kleiner Kinder vereint.
“Je mehr Männer auch in diese Rolle schlüpfen, um so akzeptierter wird das Thema. Also wie werden dafür Anreize gesetzt, ist ein Thema!”
“Männer mehr in die Pflicht nehmen- Arbeitsteilung in allen Bereichen.”
“Männer in der Familienrolle stärken!”
“Gender Balance in allen Bereichen: gleiche Aufteilung der Hausarbeit, Mental Load, Arbeitszeit, Kinderbetreuung, Elternzeit…”
Gleichzeitig braucht es Konzepte für Alleinerziehende, die in der öffentlichen Debatte oft nur stiefkindlich behandelt werden, weil Familie gesellschaftlich „Mutter, Vater, Kind(er)“ bedeutet. Dieses Familienbild entspricht nicht der Realität. Ich plädiere für einen neuen Familienbegriff: Familie ist da, wo ein Kind dauerhaft lebt. Generell müssen wir den Stellenwert von Kindern in unserer Gesellschaft aufwerten. Wenn wir anerkennen, dass Kinder unsere Zukunft sind, dann sind wir bereit mehr in sie zu investieren. Das kommt allen Menschen zugute (auch Erzieher:innen und Co.), die unsere Kinder beim groß werden begleiten. Und nebenbei wertet es die Sorgearbeit auf. Dann geht es nicht mehr ums Kümmern, sondern um eine wichtige Investition in die Zukunft!