Die Last der berufstätigen Mütter

Was sich dringend ändern muss und was wir selbst in der Hand haben

Ich arbeite jetzt schon über einem Jahr daran, es berufstätigen Müttern in der Arbeitswelt leichter zu machen. Ich habe kleine Durchbrüche erlebt, aber auch viele Rückschläge. Natürlich bleibt es nicht aus, dass auch bei mir Zweifel hochkommen, ob es überhaupt der richtige Weg ist. Ob sich die Mühe lohnt? Ob es für mich vielleicht nicht viel leichter wäre, in ein sicheres Angestellten-Verhältnis zurückzukehren. Mit geregelten Arbeitszeiten und gesichertem Einkommen. Wenn es da nicht immer wieder diese Momente im Alltag gib, in denen das Feuer wieder auflodert und ich sehr gut spüre, warum ich los gegangen bin.

Zum Beispiel als ich mit einem lieben Freund aus der Studienzeit spazieren war. Mal abgesehen davon, dass sich mein Studium anfühlt, als wäre es nicht nur in einem anderen Leben, sondern in einem anderen Jahrhundert gewesen (nicht ganz, war aber knapp…), war es so schön, sich einfach mal wieder auszutauschen.

Bis er mir erzählt, dass seine Schwester frustriert ist, weil sie beruflich nicht vorwärts kommt, weil sie jetzt wieder schwanger ist. Dass sie Zähne knirschend ihre beruflichen Ambitionen auf Eis legt, weil sie das mit dem Baby nicht hinbekommt. Auf meine Frage „Und der Kindsvater?“, kam die Antwort: „Möchte Karriere machen.“ Und ist offenbar fein raus.

Kind und berufliche Ambitionen ist in Deutschland (noch) nicht vereinbar

Und da war es auf einmal wieder, das Feuer in mir. Dieser unbedingte Wille, diese Umstände zu verändern. Warum ist es für Frauen nicht möglich, Karriere zu machen, wenn sie schwanger sind? Warum killt unsere Gebärmutter unsere berufliche Erfüllung? Warum ist es 2021 und wir lassen das immer noch zu? Und warum können sich Väter so fein aus der Affäre ziehen, ohne, dass es einen Aufschrei gibt? Der Aufschrei bei Vätern kommt momentan eher, wenn sie länger als die zähneknirschend akzeptierten zwei Monate Elternzeit nehmen wollen. Oder sogar in Teilzeit zurück kommen wollen.

Ein paar Fakten zu berufstätigen Müttern

  • Absagen!

    Mütter werden im Bewerbungsverfahren benachteiligt und seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen als Frauen ohne Kinder.

  • Anstrengung

    Mütter müssen rund 1/3 mehr Bewerbungen schreiben, um einen neuen Job zu bekommen.

  • Rabenmutter

    Mütter, die eine kurze Elternzeit nehmen oder nach dem Mutterschutz wieder einsteigen, gelten als Rabenmütter. Sie werden nicht am Arbeitsmarkt bevorzugt.

  • Kaltherzig

    Mütter mit kurzen Elternzeiten werden als zu kalt und zielstrebig angesehen und ihnen wird unterstellt, dass sie ihre Prioritäten falsch setzen.

  • Degradierung

    2/3 der berufstätigen Mütter hat nach dem Wiedereinstieg ein geringeres Tätigkeitsniveau als zuvor.

Diese Umstände sind es, warum ich los gegangen bin. Ich möchte, dass spätestens die Partnerinnen meiner Söhne nicht mehr vor diesem „Kind oder berufliche Erfüllung“ Zwiespalt stehen. Ich möchte, dass meine Jungs es für selbstverständlich erachten, dass sie sich in die Kindererziehung einbringen und ihre Arbeitsstunden reduzieren. Und ich möchte, dass Arbeitgeber erkennen, welchen Kompetenzgewinn eine zugewandte Elternschaft mit sich bringt und Elternschaft als Bonus angesehen wird. Nicht als Makel. Ich möchte echte Chancengleichheit erreichen Bis dahin darf sich noch einiges ändern in unserer Gesellschaft. Karriere und Kind sollte sich nicht ausschließen. Für Frauen nicht. Für Männer aber auch nicht. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Was wir jetzt schon tun können: – Rock dein Leben mit Kind und Job!

Natürlich dürfen wir uns jetzt über die Umstände beschweren. Wir müssen es sogar tun. Sonst wird sich später wenig verändern. Gleichzeitig ist es nicht sinnvoll, es beim Beschweren zu belassen. Denn so wird sich jetzt und später wenig ändern. Wenn du Job und Kind erfolgreich vereinbaren willst, dann darfst du dich jetzt mit deiner Lebensrealität auseinandersetzen. Sei deinen Kindern ein Vorbild. Mach es anders, als „man“ es „immer schon so“ gemacht hat! Besinne dich auf dich. Das kann mitunter unangenehm werden, weil es bedeutet, die eigene Lebensrealität zu hinterfragen und den Gegenwind auszuhalten. Der wird kommen, so oder so. Wenn du mehr dazu lesen willst, dann klick dich in meine dreiteilige Serie „Hätte ich das mal vorher gewusst – Wie sich das Leben mit Baby und Kleinkind verändert.

Du brauchst keine allgemeine Vereinbarkeit von Beruf und Familie – du brauchst ein Modell, das für dich funktioniert

Es lohnt sich den erstmal beschwerlicheren Weg zu gehen. Denn danach ist es wirklich das eigene, selbst gestaltete Leben, das du leben darfst. Und nicht eine Kopie von der allgemeinen vorherrschenden Meinung, wie ein Leben als berufstätige Frau mit Kind zu sein hat. Meine große Stärke ist, auf das fokussieren, was veränderbar ist. Ich rate den Müttern, die ich begleiten darf, NICHT zu versuchen, es allen recht zu machen, in die Gesellschaft zu passen oder sich zu verbiegen. Es funktioniert nicht. Es gibt immer (!) jemanden, der dich für deine Lebensweise kritisiert oder dir Steine in den Weg legt.

Wichtiger ist, den Fokus nach innen zu legen: fokussiere dich auf dich. Finde heraus, was dich ausmacht, was du willst, wie du leben willst und was es dafür braucht. Und dann gestalte dein Leben, so dass du es dir recht machst. Du bist dein Maßstab! Alles andere ist erstens kein Maßstab und ohnehin unmöglich. Mir geht es nicht (ich wiederhole: NICHT!) darum, alle Rollen perfekt auszufüllen. Es geht darum, das eigene Wertekonstrukt und die eigenen Vorstellungen zu kennen und zu leben. Und sich nicht darum zu kümmern, was die anderen denken.

Die Welt ist ungerecht – vor allem beim Wiedereinstieg

Gerechtigkeit ist einer meiner großen Werte. Natürlich ist es toll, wenn ich einzelnen Müttern zu mehr Wirksamkeit verhelfe, aber gerecht ist es nicht. Wieso müssen sich Mütter mehr anstrengen, um beruflich erfolgreich zu sein? Wieso wollen Unternehmen Mütter nicht als wertvolle Mitarbeiterinnen behalten? Hier darf noch sehr viel Veränderung und Wandel einkehren.

In der Zwischenzeit ermutige ich Mamas dabei, ihren Weg zu finden und zu gehen. Auch wenn das heißt, dass sie irgendwo anecken. Weißt du, was Menschen auf dem Sterbebett am meisten bereuen? Dass sie ihre Zeit falsch verbracht haben. Falsch in dem Sinne, dass sie ihr Leben nicht so gelebt haben, wie sie es wirklich wollten. Dass sie sich vom Außen leiten ließen. Bronnie Ware hat ein Buch darüber geschrieben. Daraus stammt dieser Satz: „Es gibt so viele Menschen, die durchs Leben gehen und die meiste Zeit Dinge tun, von denen sie glauben, dass andere sie von ihnen erwarten.“

Gesellschaftliche Erwartungen halten uns davon ab, unser Leben zu leben

Gerade Mütter sind in diesen Erwartungsdruck oft gefangen. Eine gute Mutter sein, fürs Kind da sein, gleichzeitig unabhängig sein und erfolgreich, etwas beitragen. Dabei noch eine gute Partnerschaft leben und Freundschaften pflegen, auf den eigenen Körper achten, gesund sein und gut aussehen… die Liste ist lang und lässt sich problemlos verlängern. Daher gehe ich mit gutem Beispiel voran:

Wo ich überall nicht der Norm oder den Erwartungen, die so ganz allgemein an eine gute Frau und Mutter gestellt werden, entspreche:

Ich habe drei Söhne und arbeite gerne und viel

Ich spreche ganz offen über den Verlust meiner Tochter in der 27.SSW

Wir wohnen zu fünft in einer 3 Zimmer Wohnung mit 80qm und wir planen nicht, zeitnah umzuziehen

Ich fluche vor meinen Kindern und sage offen, wenn ich Dinge scheiße finde.

Mein Baby ist schon acht Monate alt. Von meinen alten Hosen „passt“ mir eine. Leider ist sie gerissen, weil der Strechanteil nachgegeben hat. Also passt mir jetzt keine mehr.

Ich kann Botschaften in den Staub auf unseren Regalen schreiben. Unter den Schränken habe ich schon lange nicht mehr nachgesehen.

Ich schalte meinen Kindern den Fernseher an. Nicht weil sie danach fragen, sondern weil sie eine Pause brauchen.

Wir feiern die ersten drei Kindergeburtstage ganz ohne Gäste, nur wir als Familie mit Dingen, die uns Spaß machen.

Ich bin mir sicher, es gibt mindestens einen Menschen, der mindestens einen Punkt auf dieser Liste verurteilt. Es ist mein Leben und da manövriere ich mich nach bestem Wissen und Gewissen durch. Das Gute dabei ist: wenn ich mir klar bin, stören mich Kritik und Erwartungen meines Umfelds nicht. Wenn sich jemand aufregt, merke ich, dass es seine Grenze ist, die berührt wird. Nicht meine.

Was du jetzt schon für mehr Gleichberechtigung und Vereinbarkeit tun kannst

Werde dir klar, wo deine Grenzen sind. Und deine Ziele. Fang an, für dich einzustehen. Verurteile andere nicht, weil sie deine Grenzen sprengen. Es ist keine Kritik an deiner Lebensweise, wenn es jemand anders macht. Zeige, wo du nicht perfekt bist. Wenn wir mehr zeigen, was wir alle nicht perfekt machen, dann können wir kollektiv den Erwartungsdruck abbauen. Und feiere jede Kleinigkeit, die so ist, wie du es dir vorstellst. So kommst du langsam zu deinem Leben und bist gleichzeitig Vorbild für deine Kinder und andere.

Fange bei dir Zuhause an – wer ist bei euch für das Familienmanagement verantwortlich? Wer macht wie viel und vor allem, seid ihr damit zufrieden. Mach den Test und damit den ersten Schritt zu deinem persönlichen Vereinbarkeitsmodell. Hier kannst du dir den Test kostenlos herunterladen (klick)